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Reflexionen zum fünften Geburtstag der Puerta del Sol am 22.4.2016...
Eigentlich wollte ich ja nur kochen…
Heute vor genau fünf Jahren, am 22.4.2011 hat die Puerta del Sol in Wien das erste Mal die Türe geöffnet. Es war im Rahmen der Geburtstagsfeier für meinen Großvater Josef Litsauer. Quasi eine Generalprobe für die Vorstellungen, die wir seither täglich aufführen.
So viel war improvisiert, so viel unklar und ungeübt. Die Situation war zerbrechlich und prekär, aber die Idee dahinter klar und ambitioniert.Klar kann man derartige Worte reflektierend verwenden, wenn man nun sieht, dass die letzten fünf Jahre im großen und ganzen ein permanenter Aufstieg waren und wir uns zu unserer großen Freude und unserem großen Stolz gastronomisch doch zur Konstante in Wien etabliert haben. Dass das so geschehen ist, verdanken Caro, Max und ich den Beiträgen vieler Menschen und vieler günstiger Momente.
Der Anfang wäre nicht so gut verlaufen ohne die kompromisslose Hilfe von meinen Eltern Hans und Carmen, meiner Schwester Barbara, Fede und Regina, Jutta und Theisy, Vera und vielen anderen. Nicht zu vergessen ist die von Anfang an permanente Mitarbeit von Wolfgang (dem Cateringmeister), Roberto und Stefan (obwohl der eigentlich meistens nur raucht). Carolina war zu diesem Zeitpunkt vor 5 Jahren hochschwanger. Unser Sohn Max war dann bei dem offiziellen Eröffnungsfest wenig später bereits auf der Welt.
Seither sind so viele Details passiert, dass man die Leser damit über viele Stunden unterhalten und langweilen könnte. Das erste Jahr ist, wie man in Wirtenkreisen weiß, die Hölle. Die Bestie, wie wir die Puerta del Sol liebevoll gennant haben (und nennen), hat mich und unser Leben komplett aufgefressen. Möglicherweise ist das nach wie vor so, doch dann habe ich mich eben daran gewöhnt. Zu der Suche nach Routine und Rhythmus, sowie Vertrauen und Überblick kam hinzu, dass wir aufgrund der Vorgeschichte des Lokals (als Side Step) bei sämtlichen Stellen wie Vermieter, Finanzamt, Krankenkassa, Lieferanten keinerlei Glaub- und Kreditwürdigkeit hatten. Ganz im Gegenteil nach einem halben Jahr, zu einem Zeitpunkt wo ich noch immer um den Haupt-Mietvertrag des Lokals feilschen musste, kam die erste Umsatzsteuersonderprüfung. Dass der ehemalige Geschäftsführer und Hirn des Vorgängerlokals Bernhard bei uns als Kellner gearbeitet hat, kam zwischen den Zeilen erschwerend hinzu. Obwohl uns Bernhard zweifellos in vielen Belangen geholfen hat (zum Beispiel beim Vernichten böser Wodka-Flaschen) kam es später im Dezember zu einer Trennung im Schlechten, bei der er sogar versucht hat, mich mithilfe der Arbeiterkammer anzuzeigen (was von ihm allerdings aufgrund der impliziten Absurdität kurze Zeit später voll zurückgezogen wurde).
Nichtsdestotrotz muss man unterstreichen, dass dank ihm ein gewisser Florian Holzer ins Lokal gekommen ist, der dann wenige Tage später eine Kritik im Falter über uns geschrieben hat, für die wir ihm bis heute sehr dankbar sind. Am Mittwoch kam besagte Ausgabe des Falters raus, ab 17 Uhr begann das Telefon zu läuten und bis heute hat es nie wieder aufgehört zu läuten.
Mit der positiven Lokalkritik Holzers ist ein sich gut anlassender Beginn explodiert. Dass wir es geschafft haben, weitgehend den hohen Erwartungshaltungen immer und immer wieder zu entsprechen, ist einem immer besser werdenden und ständig wechselnden Team zu verdanken.Abgesehen von meiner Tätigkeit als Koch, Kellner und Depp für alles habe ich mich in den letzten Jahren immer als Trainer eines Fussballteams gesehen, der irgendwo in der höchsten österreichischen Spielklasse dankbar für seine Spieler ist und versuchen muss, in Bezug auf Position, Situation, Frequenz und Zusammenspiel, das Beste aus der Konstellation herauszuholen ohne mehr auszubeuten, als es die Grundidee des Kapitalismus schon automatisch tut.
Als Wirt, Unternehmer und Chef habe ich sowieso schon die Seiten gewechselt. Die Problematik und Dialektik des Herr-Knecht-Verhältnisses bestimmt es, dass ich als Arbeitgeber der natürliche Klassenfeind meines eigenen Teams bin. In Momenten der Harmonie ist meist alles eitelwonne. Doch in Momenten der Meinungsverschiedenheit ist es nuneinmal so, dass mein Wort letztendlich zählt (egal ob ich stur meinen Weg gehe, oder auf alternative Vorschläge eingehe), bzw. dass wenn in der körperlich belastenden Gastronomie-Tätigkeit bei manchen Leuten Erschöpfungs- bzw. Frust-Erscheinungen auftreten, das gute Verhältnis leicht in einen Zorn kippen kann, der mich als Ausbeuter darstellt.
Zum Glück ist das nicht die Regel und der stressige Alltag der letzten Jahre ist von positiven und schönen Erlebnissen geprägt.Langweilig wurde es wirklich nie. Die Küche brannte, ein Erpressungsversuch, ein Einbruch, mehrmaliger Diebstahl, immer wiederkehrende Drama- und Telenovela-Anfälle im Arbeitsteam, Lieferanten im Konkurs, Besuche staats- und stadt-tragender PolitikerInnen, wiederholte Besucher von bekannten und weniger bekannten, nationalen und internationalen Bühnenstars, sexuelle Highlights, frustrierte Einsamkeit, viel Alkohol, angeblich manchmal sogar auch andere Drogen, jede Menge Zigaretten (vor allem von Stefan), Tapas del Dia, unzufriedene Spanier, weil die Tortilla bei der Oma besser schmeckt, unzufriedene KellnerInnen, weil die Spanier dann kein Trinkgeld geben, wütende Köche über ausrinnenden gebackenen Mahon-Käse, cholerische Anfälle von Hilfsköchen mit nur knapp verhinderten Mordversuchen an Gästen wenn sie nach (oder auch vor) Küchenschluss eine Käseplatte bestellen, flamenco-singende Kubaner beim Abwaschen, Stefan und das Rauchen, soziophopbe Kellnerinnen, eine wahnsinnige Hausbesitzerin, die sogar tätowierte Heavy-Metal-Italiener in Angst und Schrecken versetzt, wenn sie nach Zigaretten fragt, intellektuellste politische Küchen- und Servicediskussionen Zugehöriger der judäischen Volksfront (oder wars die Volksfront von Judäa?), viele willkommene Besuche aus Argentinien, eine großartige Lokal-Partnerschaft mit dem Morgenstern am Ulrichsplatz, eine große Zahl an kleinen Live-Konzerten, viel spanischer und argentinischer Liga-Fussball und viele viele viele Samstage, wo man aufopfernd alle offenen Weinflaschen austrinken muss, damit sie nicht schlecht werden.
Vor eineinhalb Jahren (Herbst 2014; Anm.) wurde es dann tatsächlich spannend, als der Geist Franz Kafkas in Person des magistratischen Bezirksamts einen Zettel gefunden hat, der besagte, dass eigentlich seit März 1990 aufgrund von Geruchsbeschwerden eines Nachbarn (der schon lange nicht mehr im Haus lebt) das warme Kochen in diesem Lokal verboten war/ist. Gemeinsam mit der gerade in Kraft tretenden Allergenverordnung, chaotischen Raucher- oder Nichtraucherbestimmungen und dem durch die werdende Registrierkassapflicht suggerierten Pseudoumstand, dass man als Wirt automatisch ein der argen Steuerhinterziehung schuldiger Verbrecher ist, begann eine Phase der Bürokratie bzw. des Kampfes mit und gegen Zettel und Paragraphen. Es ging bei dem Kampf nicht um das Prinzip, oder etwa um Ungerechtigkeit, oder um Verbesserung der Situation für mache Beteiligte – nein, es ging bei dem Kampf um das finanzielle Überleben, da komplett realitätsfremde Menschen, die nicht über ihren Schreibtischrand hinausblicken können unter Berufung auf Paragraphen und Zetteln, mit mitleidigem und pseudoverständnisvollem Lächeln auf den Lippen blind auf Normen beruhende Dinge vorgeschrieben haben, die nicht nur sinnlos sind sondern auch noch unbezahlbar teuer…
Wenn man bedenkt, dass es uns dank permanent vieler Gäste und 8 Monaten Diskussion recht gut ergangen ist im Endeffekt, passt (momentan und noch) eh alles soweit.
Mittlerweile hat sich eine Routine eingestellt, die uns zu Profis macht. Mir wurde durch die letzten 5 Jahre ein großer Teil meiner Kreativität und meiner Lebensenergie gestohlen. Nichtsdestotrotz liebe ich die Küche und liebe es, zu kochen. Wir haben viel Blut da reingesteckt… und im Endeffekt ist es uns wirklich gut ergangen.
Liebe Puerta del Sol, ich hasse Dich, weil Du mein Leben aufgefressen hast und noch immer hungrig bist. Ich liebe Dich, weil Du Hure mich im Gegenzug auch immer wieder streichelst und mir das Goderl kratzt. Danke an alle, die Dich, Du Bestie, durch ihre Arbeit weiterhin füttern.
Ich stoße heute mit Caro und allen, die gerne möchten auf uns an.
AleStatement zum Thema der Ablehnung schlagender Burschenschaftler angesichts des Shitstorms im Mai 2018...
Bezüglich der Online-Vorkommnisse der letzten Tage möchte ich hiermit Stellung beziehen.
Zusammenfassung: die rechtsextreme Online-Plattform unzensuriert.at hat unseren Aufkleber gefunden, wonach schlagende Burschenschafter bei uns ins Lokal nicht hineinsollen und aufgerufen, online “seine Meinung dazu zu äußern”.
Jeder, der schon einmal bei uns in der Tapas Bar war, weiss, dass hier alle Menschen herzlich willkommen sind, egal welcher Hautfarbe, Religion oder politischen Meinung. Auch wenn es meiner Ansicht kein außerhalb des politischen gibt, bleiben Tapas und Wein weitgehend unpolitisch.Faschismus und diejenigen Ideologien, die v.a. schlagende, deutschnationale Burschenschafter vertreten sind intolerant und gefährden die Toleranz, die freie Meinungsäußerung und das Zusammenleben der Menschen als grundsätzlich gleichwertige Wesen.
Daraus ergibt sich, auch wenn es der Logik mancher (meist unpolitischer) Menschen nicht ganz schlüssig scheint, dass die Toleranz nur Toleranz sein kann, wenn sie Intoleranz nicht toleriert.
Es ist eine klassische Chuzpe, wenn gerade diejenigen, die so oft die größten Verbrechen und deren Zusammenhänge im 20. Jahrhundert negieren oder relativieren, dann selbst aufschreien, wenn sie abgelehnt werden.
Es gibt nicht nur die Möglichkeit, intolerante Welteinstellungen nicht zu tolerieren, sondern im Sinne einer offenen Gesellschaft sogar die Notwendigkeit und die bürgerliche Pflicht, diese nicht zu tolerieren.
Das Schild bei uns am Eingang habe ich mir gut überlegt:
Es geht nicht um Burschenschafter, sondern um “schlagende Burschenschafter”.
Das sind diejenigen, die sich in Männerbünden treffen und im Namen der deutschen Superiorität Bier auf ex trinken und sich danach die Gesichter gegenseitig mit Säbeln aufschneiden während sie möglicherweise antisemitische Lieder über das Wiederanwerfen von Gasöfen und “die siebte Million” singen. Diese Menschen möchte ich in meinem Lokal nicht bewirten. Dafür stehe ich voll ein.Ich möchte auch keine russischen Faschos, verbohrte rechte orthodoxe Juden, keine Dschihad-Islamisten, keine Ultra-Stalinisten, keine grauen Wölfe oder sonstige Anhänger von intoleranten Ideologien bedienen (die Beispiele sind komplett willkürlich ausgewählt).
Nun ist es eben so, dass im Achten Bezirk keine radikal-orthodoxen rechten Juden, keine Dschihadisten und keine Stalinisten erkennbar herumlaufen. Aber der Bezirk ist voll mit schlagenden Burschenschaftern. Und an vielen Plätzen, wo sie im “Wichs” auftauchen (z.B. Centimeter, Bendl, etc), saufen und singen, fallen sie sehr unangenehm auf und sorgen für Irritationen und nicht selten für Konflikte mit anderen Gästen.
Komischerweise finden es viele Leute nachvollziehbarer wenn ich “schlagende Burschenschafter” mit “Rapidfans” oder “Austriafans” (sofern es sowas wie Austriafans überhaupt gibt, hihi) austausche. Jeder würde verstehen, wenn ich einer besoffenen Gruppe in Fussballdressen den Zutritt verweigere, aber bei besoffenen Deutschtümlern fangen manche offenbar zu stottern an.
Aber die braunen Gesichtsschlitzer sind in letzter Zeit leider stark trainiert, die Geschichte umzukehren und sich selbst als Opfer darzustellen.Wir fallen jedenfalls darauf nicht rein. Und wenn dann gegen meine Person gehetzt wird, umso weniger.
Noch nie ist jemand bei uns des Lokals verwiesen worden (außer sehr vereinzelt, wenn sich komplett Besoffene auf einen letzten Drink zu uns verirrt haben und die Bestellung nichteinmal artikulieren konnten).Wir lehnen Uniformen jeglicher Art ab, wenn sie in der Freizeit getragen werden. Niemand würde irgendjemanden in zivil kontrollieren oder ausforschen auf seine politische Haltung hin.
Aber wenn man die Intoleranz und Deutschtümelei in Form von Scherpe und Burschikäppi am Körper trägt, sendet man eine Botschaft an seine Umwelt, die bei uns nicht nur nicht willkommen ist, sondern auch zu 100% abgelehnt wird.Bezüglich des Artikels auf der rechtsradikalen Plattform unzensuriert.at wird wiederinmal klar, welcher Methoden sich die paar Rechtsradikalen bedienen. Es wird mein Name voll ausgeschrieben, sogar neben dem Artikel getaggt, das Lokal voll erwähnt und auch noch zu dem Tripadvisor Account verlinkt mit einem indirekten Aufruf zum shitstorm. Eine Klage ist dahingehend in Vorbereitung.
Auf die Kommentare unter dem Artikel möchte ich gar nicht erst eingehen, aber sie machen einfach deutlich, wie verblümt der darüberstehende Artikel formuliert ist, im Gegensatz zu der brutalen und verachtenden Sprache der meisten Leser in den Kommentaren darunter.Zwei Bemerkungen zum Shitsorm auf Facebook, Tripadvisor und Google:
Erstens: Die meisten der Burschis, die versuchen, mein Lokal zu verleumnden, sind aus Deutschland. Daraus wird wiederinmal klar, dass es sich bei Identitären, Burschenschaftern etc. in Wien um ein paar Manderln handelt, die zwar viel Wirbel machen, aber sich ohnehin immer Hilfe aus Deutschland holen müssen. Achten wir darauf, dass es so bleibt und schenken wir ihnen keinen Platz.
Zweitens: allein auf Facebook gibt es nun 350 5-Sterne Kritiken gegenüber 40 1-Stern Kritiken. Kurz, ihr seid einfach grossartig. Es ist überwältigend schön, welche positiven Reaktionen es gibt von denen, die uns unterstützen, denen unsere Tapas schmecken und das auch im Moment der vermeintlichen Bedrohung äußern. Vielen, vielen Dank dafür, weil es mich wirklich extrem freut und andererseits auch den Verhetzern zeigt, wie eine derartige Aktion nach hinten losgehen kann. Danke, danke, danke!!!
Wenn schlagende Burschenschafter gerne Tapas essen kommen wollen, können sie das ohne Uniform sehr gerne tun. Wenn sie nicht kommen wollen, dann ist das auch ok, sie müssen ja nicht.
Aber hetzen, öffentlich mit ausgeschribenen Namen, das geht gar nicht.Gerade heute, wo Ministerien etc. durch derartige Ideologien unterwandert werden und die an sich ehrwürdige ÖVP einfach dabei zusieht (obwohl sie das eigentlich schon einmal getan hat vor 80-90 Jahren) erlaube ich es mir, gegen diese Symbolik intolerant zu sein.
Jede Generation muss sich sein Demokratiebewusstsein selbst erkämpfen. Mein Beitrag ist es, dass ich öffentlich Partei ergreife, mich von den plumpen Versuchen der braunen Opferrolle nicht verleiten lasse und klar und deutlich sage, dass Menschen mit Symbolen, die NS-Geschichte verharmlosen oder gar leugnen, die sich superior definieren und Angst schüren, ausgrenzen und Gleichheit nicht anerkennen, nicht willkommen sind.
Die eindimensionale Logik (á la “wenn links ok is, dann muss jechts auch ok sein”) ist zu wenig. Sie kann ohne die ethische Erfahrung (d.h. was sagen die Ideologien eigentlich konkret aus, wieviele Menschen sterben täglich aufgrund von nationalistischem und rechtsradikalem Wahnsinn etc) nicht existieren. Rechte Herumbrüller verlautbaren immer öfter dass jegliche Kritik an rechtsradikalem Gedankengut automatisch links ist. Wenn die bürgerliche Mitte, d.h. die ÖVP und auch die SPÖ öfter Stellung beziehen würde, würden wir vielleicht erkennen, dass die Ablehnung von Faschismus einfach eine liberale Einstellung erfordert, aber keineswegs automatisch “links” ist.
Allein die Bezeichnung meiner Person als “weltoffener Linker” in der Überschrift zum Artikel beweist das. Denn nur weil ich Burschenschafter nicht in meinem Lokal haben will, bedeutet das keineswegs dass ich automatisch links bin. Auch ein ÖVP-Wähler kann Burschenschafter ablehnen, ohne dass ihm rote Nelken am Kopf wachsen…
Insofern: auf ein Zeichen gegen Faschismus und rechte Hetze – für ein angenehmes und besseres Zusammenleben in der Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt.
Und jetzt lasst uns wieder Tapas essen und Wein trinken.Danke an alle unsere Unterstützer, die mich wieder ein bisschen mehr an diese Gesellschaft glauben lassen!